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Differentialdiagnose.tex 9.68 KiB
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Thomas Winkler committed
\chapter{Differentialdiagnose} \label{c:dd}
Wichtig bei der Differenzierung zwischen den einzelnen \glspl{svt} ist einerseits der \textbf{Verlauf der Symptomatik} und andererseits das \textbf{Muster im \gls{ekg}} (während der Tachykardie und wenn möglich in Ruhe). In den folgenden Abschnitten möchte der Autor einen Überblick über die Di\-ag\-no\-se\-fin\-dung geben und wird bei schwerer differenzierbaren Fällen genauere Kennzeichen nennen.\footnote{nach \cite{svt-european}.}

Automatische atriale Tachykardien (wie \gls{zb} ein Typ der \gls{fat} und die \gls{jet}) sind gekennzeichnet durch einen sogenannten \glqq{warm-up}\grqq{} und einen \glqq{cool-down}\grqq{}. Das heißt, die Tachykardie startet und wird immer schneller, erreicht letztlich ein Frequenzplateau und wird irgendwann wieder langsamer bis sie letztendlich abklingt. Zwischen diesen zwei genannten Tachykardien kann relativ einfach unterschieden werden: Findet man eine P-Welle \gls{bzw} eine Vorhoferregung vor dem QRS-Komplex, spricht das eher für eine \gls{fat}. Außerdem kann man aufgrund des zeitlichen Auftretens \gls{bzw} dem Alter des Patienten in diesem Fall weitere Indizien sammeln. Ist von einem sehr jungen Patienten die Rede oder sieht man nach einer Herz-OP eine Tachykardie, dann kann man eher eine \gls{jet} vermuten.
Ist die paroxysmale Tachykardie von fixer Frequenz, so kann man im Hintergrund eher einen Reentry-Mechanismus vermuten.\footnote{nach \cite{dd-svt}.}

Typische irreguläre \glspl{svt} sind \gls{vhf} und \gls{mat}, wobei auch ein \gls{afl} und eine \gls{fat} irregulär sein können, wenn ein alternierender AV-Block vorliegt.\footnote{nach \cite{svt-european}.}
Die Kennzeichen von \gls{vhf} und \gls{afl} sind im \gls{ekg} relativ eindeutig durch Flimmer- oder Flatterwellen \gls{bzw} dem Fehlen von P-Wellen definiert. Daneben besteht beim \gls{vhf} eine absolute Arrhythmie und beim \gls{afl} meist eine 2:1 Überleitung auf die Ventrikel.
Die \gls{mat} ist bei Patienten mit drei oder mehr voneinander unterschiedlichen P-Wellen sicher zu diagnostizieren. Bei einer \gls{fat} hingegen findet man zwei unterschiedliche P-Welle-Morphologien.

Paroxysmale, \gls{dh} (immer wieder) plötzlich auftretende, Tachykardien können ein Hinweis auf \gls{sanrt}, \gls{pots}, \gls{vhf}, \gls{afl}, \gls{iart}, \gls{avnrt} oder \gls{avrt} sein.
Bei einer \gls{sanrt} und einem \gls{pots} sieht man eine Sinustachykardie, die differentialdiagnostisch weiter abgeklärt werden sollte. Das \gls{pots} entsteht nur bei Orthostase und verschwindet wieder, sobald sich der Patient in der Horizontalen befindet. Daneben sind noch weitere charakteristische Symptome, wie \gls{zb} Rötung der Beine zu beobachten (\gls{vgl} Kapitel \gls{pots}). Bei der \gls{sanrt} erfolgt ein plötzlicher Anstieg (von einem Schlag auf den anderen) in der Herzfrequenz des Patienten, wobei die P-Wellen-Mophologie nicht von der einer P-Welle in Ruhe zu unterscheiden ist.
Die \gls{iart} ähnelt einer \gls{fat}, wobei hier die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen den beiden Typen in der Gabe von Adenosin liegt.\footnote{%TC:ignore
Die \gls{fat} konnte in fast allen Fällen durch Adenosingabe terminiert werden (siehe oben).
%TC:endignore
}

\subsubsection{AVNRT und AVRT}
Die Unterscheidung einer \gls{avnrt} und einer \gls{avrt} gestaltet sich in der Praxis etwas schwieriger. \gls{tab} \ref{table:dd-avnrt-avrt} gibt einen Überblick über charakteristische \gls{ekg}-Zeichen, die in der Differenzierung behilflich sein können.

\newcolumntype{y}{>{\columncolor{LightBlue50}}X}
\setlength{\aboverulesep}{0.01pt}
\setlength{\belowrulesep}{0.01pt}
\setlength{\extrarowheight}{-0.25ex}
\begin{tabularx}{\linewidth}{X | y}
    % -----------------headings----------------------%
        \toprule
        \textbf{Typische \glqq{Slow-fast}\grqq{} AVNRT (EKG-Zeichen während Tachykardie, nicht vorhanden im Sinusrhythmus)} & \textbf{AVRT bei akzessorischer Leitungsbahn (\gls{wpw}-Syndrom)} \\
        \toprule
    \endfirsthead
    %headings for next page columns
        \toprule
        \textbf{Typische \glqq{Slow-fast}\grqq{} AVNRT (EKG-Zeichen während Tachykardie, nicht vorhanden im Sinusrhythmus)} & \textbf{AVRT bei akzessorischer Leitungsbahn (\gls{wpw}-Syndrom)} \\
        \toprule
    \endhead
    %this is printed before the table is broken into the next page
        \multicolumn{2}{r}{{Fortsetzung auf der nächsten Seite.}} \\
        \midrule
    \endfoot
        %\bottomrule
    \endlastfoot
    % ---------------headings end--------------------%
    R-P <\,70\,ms & R-P >\,70\,ms, CAVE: atypische AVNRT, ektope atriale Tachykardie \\
    \glqq{Notch}\grqq{}-Phänomen in aVL während Tachykardie\footnote{%TC:ignore
    Jeder positive Ausschlag am Ende des QRS-Komplexes während der Tachykardie und ein Fehlen dieser Veränderung während des Sinusrhythmus. Nach \cite{avnrt-notch}.
    %TC:endignore
    } & Negative P-Welle in I und V1 bei linksseitiger akzessorischer Leitungsbahn und daher Links-nach-rechts-Aktivierung der Vorhöfe \\
    Während Tachykardie: in V1 Morphologie wie bei inkompletten RSB (RSR' oder \glqq{pseudo r'}\grqq{}), verschwindet im Sinusrhythmus & Vorliegen von zwei Tachykardie-EKGs: Schmalkomplex-Tachykardie und Tachykardie mit \gls{lsb} und langsamerer Frequenz: spricht für AVRT mit linksseitiger akzessorischer Bahn \\
    \pagebreak
    Pseudo-S in den inferioren Ableitungen & Auftreten eines QRS-Alternans\footnote{%TC:ignore
    Unter einem \glqq{QRS-Alternans}\grqq{} versteht man die $\geq$\,1\,mm Variation der QRS-Amplitude in irgendeiner Ableitung. Dieses Kriterium scheint ein relativ unsicheres zu sein, nachdem eine Variation der QRS-Amplitude genauso bei einer \gls{avnrt} auftreten kann.
    %TC:endignore
    } \\
        \bottomrule
        \caption[EKG-Zeichen zur Unterscheidung einer \gls{avrt} bei akzessorischer Leitungsbahn vs. typischer \glqq{Slow-fast}\grqq{}-\gls{avnrt}. Nach \cite{dd-svt}, \gls{tab} 1 und \cite{avnrt-avr}.]{EKG-Zeichen zur Unterscheidung einer \gls{avrt} bei akzessorischer Leitungsbahn versus typischer \glqq{Slow-fast}\grqq{}-\gls{avnrt}.\newline
        Nach \cite{dd-svt}, \gls{tab} 1 und \cite{avnrt-avr}.}\label{table:dd-avnrt-avrt} \\
\end{tabularx}

Weitere Kriterien, die zur Erkennung einer \gls{avnrt} hilfreich sein können, sind folgende:\footnote{nach \cite{avnrt-avr}.}
\begin{itemize}
    \item Pseudo r' in aVR während der Tachykardie,
    \item Eine 50\%ige Steigerung der r'-Amplitude in aVR während der Tachykardie im Vergleich zur Amplitude währen des Sinusrhythmus,
    \item fakultative Kombination der zwei vorher genannten Kriterien,
    \item horizontale oder nach unten gerichtete ST-Segment-Depression von $\geq$\,2.0\,mm 80\,ms nach dem J-Punkt in den inferioren und Brustwandableitungen und
    \item horizontale und aufwärts geneigte $\geq$\,1,0\,mm oder abwärts geneigte $\geq$\,1,5\,mm ST-Segment-Elevation 80\,ms nach dem J-Punkt in aVR.
\end{itemize}

Möchte man die Kriterien anhand Sensitivität und Spezifität auf einige wenige reduzieren, so kann \gls{tab} \ref{table:dd-avnrt} helfen.

\newcolumntype{a}{>{\centering\columncolor{LightBlue50}}X}
\newcolumntype{b}{>{\centering}X}
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\begin{tabularx}{\linewidth}{
    >{\setlength{\hsize}{2.5\hsize}\arraybackslash}X | 
    >{\setlength{\hsize}{0.75\hsize}\arraybackslash}a 
    >{\setlength{\hsize}{0.75\hsize}\arraybackslash}a |
    >{\setlength{\hsize}{0.5\hsize}\arraybackslash}b
    >{\setlength{\hsize}{0.5\hsize}\arraybackslash}b
    }
    % -----------------headings----------------------%
        \toprule
        \textbf{Kriterium} & \textbf{Sensitivität (\%)} & \textbf{Spezifität (\%)} & PPV (\%) & NPV (\%) \\
        \toprule
    \endfirsthead
    %headings for next page columns
        \toprule
        \textbf{Kriterium} & \textbf{Sensitivität (\%)} & \textbf{Spezifität (\%)} & PPV (\%) & NPV (\%) \\
        \toprule
    \endhead
    %this is printed before the table is broken into the next page
        \multicolumn{5}{r}{{Fortsetzung auf der nächsten Seite.}} \\
        \midrule
    \endfoot
        %\bottomrule
    \endlastfoot
    % ---------------headings end--------------------%
    Peudo r' in V1, n (\%) & 42,4 & 92,7 & 95,2 & 32,4 \\
    Pseudo S in II, III oder aVF, n (\%) & 35,7 & 89,1 & 91,7 & 29,2 \\
    Klassische \gls{avnrt}-Kriterien (Kombination aus den beiden oberen), n (\%) & 60,5 & 81,8 & 91,8 & 38,1 \\
    \glqq{Notch}\grqq{}-Phänomen in aVL während Tachykardie, n (\%) & 24,6 & 93,6 & 92,9 & 27,0 \\
    Pseudo r' in aVR, n (\%) & 24,9 & 94,5 & 93,9 & 27,2 \\
    50\%ige Steigerung der r'-Amplitude in aVR während der Tachykardie im Vergleich zur Amplitude währen des Sinusrhythmus, n (\%) & 59,2 & 93,6 & 96,9 & 40,6 \\
    Kombinierte aVR-Kriterien (Kombination aus den beiden vorhergehenden), n (\%) & 84,1 & 90,9 & 96,9 & 62,9 \\
        \bottomrule
        \caption[Sensitivität, Spezifität, positiver prädiktiver Wert (PPV) und negativer prädiktiver Wert (NPV) ausgewählter \gls{ekg}-Kriterien zur Diagnose einer \gls{avnrt}. Nach \cite{avnrt-avr}, Table 2.]{Sensitivität, Spezifität, positiver prädiktiver Wert (PPV) und negativer prädiktiver Wert (NPV) ausgewählter \gls{ekg}-Kriterien zur Diagnose einer \gls{avnrt}.\newline
        Nach \cite{avnrt-avr}, Table 2.}\label{table:dd-avnrt} \\
\end{tabularx}

Vergleicht man die Sensitivität und Spezifität der aktuellen Empfehlungen (klassische \gls{avnrt}-Kriterien) mit den kombinierten aVR-Kriterien, so kann man feststellen, dass die kombinierten aVR-Kriterien (zumindest in der Studie \textit{\cite{avnrt-avr}} mit 480 Patienten) deutlich sensitiver und spezifischer zu sein scheinen und daher, nach Meinung des Autors, in Zukunft vielleicht die klassischen Kriterien ablösen könnten.